Tatort Auge - interdisziplinäre Einblicke Fall 2 Routine-Screening deckt schwerwiegende Folgen auf

Auge mit Kreisen
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Erstveröffentlichung in der DOZ 11/2025.

Ein 62-jähriger Mann stellte sich bei seinem Augenoptiker zu einem Ocumeda-Augenscreening vor. Beschwerden wie Sehstörungen oder Schmerzen verneinte er. Als bekannte Vorerkrankung bestand lediglich ein Bluthochdruck. Mit den Augen habe es bislang nie Probleme gegeben. Den letzten Augenarzt hatte er jedoch vor über fünf Jahren aufgesucht.

Die Untersuchung von Visus, Refraktion und Augeninnendruck zeigte überwiegend unauffällige Werte, lediglich links bestand eine leicht verringerte Sehleistung. Der Augeninnendruck betrug rechts 14 und links 15 mmHg (jeweils korrigiert um die Hornhautdicke).

Refraktion:
R: Sph: +3,50 dpt; Cyl: -0,50 dpt; A: 58°, Visus: 1,0
L: Sph: +3,50 dpt, Visus: 0,63

Das Foto der zentralen Netzhaut zeigte rechts ein unauffälliges Bild. Links hingegen war sofort klar, dass ein gravierender Befund vorlag: Es zeigte sich ein geschwollener Sehnerv und eine pigmentierte Prominenz mit Netzhautablösung nasal. Dass es sich hier um einen sehr dringlichen Befund handelte, stand außer Frage und die fachärztliche Auswertung des Screenings klassifizierte den Befund als „rot“, was bedeutet: akuter Handlungsbedarf.

Der Kunde erhielt umgehend seinen medizinischen Bericht und wurde zusätzlich telefonisch darüber informiert, dass eine sofortige augenärztliche Vorstellung notwendig sei. Dieser Empfehlung folgte er und der Termin beim Augenarzt bestätigte den ersten Verdacht – ein bösartiger pigmentierter Tumor direkt am Sehnerv. Genauer gesagt: Ein Aderhautmelanom, das bereits in den Sehnerv eingewachsen war und zudem auch eine Netzhautablösung verursacht hatte. Es wurde eine stationäre Behandlung in einem spezialisierten universitären Zentrum eingeleitet.

Fundusaufnahmen

Beim Screening zeigt sich am rechten Auge (linkes Bild) ein unauffälliger zentraler Netzhautbefund, am linken indes eine Papillenschwellung mit einer pigmentierten prominenten Veränderung sowie begleitender Netzhautablösung (rechtes Bild). 

© Ocumeda GmbH

Augen-Check-Up kann Verborgenes zeigen

Das Aderhautmelanom (uveales Melanom) ist der häufigste primäre Tumor des Augeninneren bei Erwachsenen. Bis zu 600 Menschen erkranken daran deutschlandweit jährlich neu. Oftmals wird er im höheren Lebensalter zwischen 60 und 80 Jahren diagnostiziert. Zumeist schmerzlos und von außen in der Regel unsichtbar, kann das Aderhautmelanom aus einem vermeintlich gutartigen Nävus entarten oder de novo aus gesunder Aderhaut entstehen, mitunter innerhalb weniger Monate. Sehbeeinträchtigungen bleiben dabei leider oftmals lange unbemerkt. Ein Aderhautmelanom bedroht nicht nur die Sehkraft des betroffenen Auges, sondern kann auch in andere Organe streuen und da-durch die Lebenserwartung der Betroffenen erheblich mindern. [1,2]

Die primäre Behandlung eines Aderhautmelanoms wird individuell festgelegt und kann von verschiedenen Formen der Bestrahlung (Brachy-, oder Protonentherapie oder stereotaktische Bestrahlung) bis hin zu einer operativen Entfernung des Tumors reichen. [3] Ziel ist hierbei die Tumorkontrolle und die Minimierung des Metastasierungsrisikos. Bei ungünstiger Lage – insbesondere bei zentralem Tumorwachstum – ist in manchen Fällen die Enukleation, also die vollständige Entfernung des Augapfels, die einzige sinnvolle Therapieoption. So auch im vorliegenden Fall.

Im Fall einer Bulbusentfernung wird regelhaft ein Orbitaimplantat (zum Beispiel Plombe) eingebracht. Zeitlich gestaffelt folgt die weitergehende Versorgung mit einer Prothese. Der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Prothetikerinnen und der dortigen vertrauensvollen Anbindung der Patienten kommt hierbei besondere Bedeutung zu. Eine ergänzende multiprofessionelle ophthalmologische Rehabilitation unter Erfassung individueller Bedarfe sollte darüber hinaus stets in Betracht gezogen werden. [4]

Beim Aderhautmelanom ist nicht nur die lokale Behandlung des Auges wichtig, sondern auch die allgemeine Gesundheitsvorsorge. Direkt nach der Ersttherapie folgt ein Staging mit Bildgebung und internistischer Untersuchung, um mögliche Metastasen zu erkennen. Am häufigsten betroffen ist die Leber, seltener auch Lunge, Knochen, Haut oder Gehirn. [1] Selbst bei unauffälligem Erstbefund sind lebenslange Kontrollen – insbesondere Oberbauchsonografie und Leberwerte – erforderlich. Dabei spielt die enge Zusammenarbeit von Augen- und Hausärztinnen eine zentrale Rolle.

Brennpunkt Netzhaut – ein Zufalls-Befund, der Leben verlängern kann

Was zunächst als alltägliches Beratungsgespräch im augenoptischen Fachgeschäft begann, entwickelte sich in diesem Fall zu einem entscheidenden Moment für die Gesundheit des Kunden. Durch das Screening wurde sein Aderhautmelanom entdeckt und seine Lebenserwartung wahrscheinlich positiv beeinflusst. Da okuläre Tumore oft lange unbemerkt bleiben, bedrohen sie nicht nur das Sehvermögen, sondern auch das Leben.

Dieser Fall zeigt deutlich, welch bedeutenden Beitrag augenoptische Screenings leisten können. Entscheidend ist dabei eine hohe medizinische Qualität bei der Auswertung der Screenings durch Fachärzte, die somit den Übergang vom „Kunden“ zum „Patienten“ begleiten.

Literatur und Quellen

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Literaturverzeichnis online unter doz-verlag.de/Downloads

Geschrieben von

Sarah Liebezeit

Sarah Liebezeit

Dr.

Sarah Liebezeit ist Fachärztin für Augenheilkunde, FEBO. 2016 promovierte sie zum Thema „Antigen-Antikörper-Profile beim Glaukom“ an der Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz. Seit 2024 ist Sarah Liebezeit zudem als Medical Officer für Ocumeda tätig.

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