Optik Mersmann und der Weg zur Hörakustik „Hearcube“: Variables Konzept ergänzt Anpasskabine und Technik

Der Hearcube ist technisch auf höchsten Niveau ausgestattetund erfüllt im Inneren alle notwendigen akustischen Voraussetzungen.

© Hearcube

Erstveröffentlichung in der DOZ 07I25

Im 28.000 Einwohner zählenden Hammer Stadtteil Bockum-Hövel befindet sich das Traditionsgeschäft Optik Mersmann, gegründet 1962 von Georg Mersmann senior. 1996 übernahm der heutige Inhaber Georg Mersmann den elterlichen Betrieb. Seit 2023 bietet er dort auch Hörsysteme an.

Ursprünglich hatte Georg Mersmann schon Mitte der 90er-Jahre nach dem Erwerb seines Meistertitels in der Augenoptik mit dem Gedanken gespielt, in der Hörakustik aktiv zu werden. Doch wie er im Gespräch mit der DOZ berichtet, kam immer irgendetwas dazwischen: „Mir wurde bewusst, dass man so ein Projekt wie die Expension in den Bereich der Hörakustik nicht quasi nebenbei umsetzen kann.“ Die Idee flammte anlässlich eines Besuchs der Opti in München wieder auf. Bei einer Begegnung auf einem Messestand lernte er das Konzept Hearcube (Eigenschreibweise „hear CUBE”) des Hamburger Ehepaars Evelyn und Johannes Fischer kennen und war sofort begeistert. Seine Mitarbeiterin Lisa Beilenhoff faszinierte die Idee sogar derart, dass die Augenoptikmeisterin in der Folge zusätzlich den nötigen Meistertitel in der Hörakustik erwarb.

Um zu verstehen, was die beiden begeisterte, muss man einen genaueren Blick auf das Konzept rund um den Hearcube werfen. Für die individuelle Anpassung von Hörsystemen ist eine Gehörmessung nötig. Diese erfolgt in einem speziell eingerichteten Messraum – der sogenannten Anpasskabine. Diese in ein bestehendes Augenoptik-Fachgeschäft räumlich zu integrieren, ist nicht immer einfach. Hinzu kommt, dass lediglich die Integration einer Anpasskabine noch kein Garant für eine erfolgreiche Geschäftsidee ist. An dieser Stelle kommt das Konzept der Fischers ins Spiel.

Evelyn Fischer leitete zahlreiche Fachgeschäfte eines namhaften Anbieters, bevor sie sich mit einem eigenen Betrieb selbstständig machte. Johannes Fischer war lange Jahre Geschäftsführer eines in über 70 Ländern agierenden Hörgeräte Herstellers und kennt die Branche auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Gemeinsam entwickelten sie die Idee eines zukunftsorientierten Anpasskonzepts. Heute betreiben sie mehrere Fachgeschäfte im Raum Hamburg und bieten interessierten Fachbetrieben nicht nur den Hearcube in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten zum Kauf an.

Mit transparentem Design und großen Glasfronten ist der Hearcube – hier in der Mersmann-Filiale in Münster – auf jeden Fall ein Blickfang.

© Stephan Geist

Modularer Aufbau erlaubt die einfache und flexible Integration

Auf den ersten Blick wird dem Betrachter vielleicht nur die neu entwickelte modulare Anpasskabine ins Auge fallen. Diese ist in drei unterschiedlichen Größen von knapp fünf bis neun Quadratmetern erhältlich und erfüllt in welcher Größe auch immer alle notwendigen akustischen Anforderungen. Der modulare Aufbau erlaubt eine einfache und flexible Integration in ein bestehendes Fachgeschäft oder auch einen temporären Aufbau, etwa bei einem zeitlich begrenzten Mietvertrag. Kennzeichnend ist das optisch transparente Design mit auffällig großen Glasfronten. An den Außenwänden lassen sich zudem optional Präsentationsflächen integrieren oder spezielle Designs umsetzen, um den Kunden ein angenehmes Ambiente zu bieten.

Theoretisch können interessierte Fachbetriebe alleine mit dem Erwerb einer Anpasskabine anfangen zu arbeiten. Doch von Beginn an hatten die Fischers mehr als einen hochwertigen Messraum im Sinn, denn für viele Anpasser ist nur die fachgerechte Durchführung Messungen nicht mehr zeitgemäß. Aus diesem Grund empfiehlt Fischer den Einsatz lautheitsbasierter Anpassverfahren, etwa des Audiosus-Konzepts, in das ganz aktuell das am renommierten Hörzentrum in Oldenburg entwickelte „revoloud”-Verfahren integriert werden konnte. Diese Verfahren steigern den Erlebnischarakter und erhöhen die Kundenzufriedenheit bei der Versorgung. Die Kombination von zeitgemäßen Messverfahren und aktueller Technik war ein weiterer Punkt, der Mersmanns Aufmerksamkeit weckte, da er in der Augenoptik seit jeher auf erstklassige technische Lösungen setzt.

„Das Modell ist ausdrücklich kein Franchise-Modell. Welche Leistungen die Partner nutzen, ist ihnen freigestellt.“

Evelyn Fischer

Neben der reinen Hardware, bestehend aus dem Hearcube und gewünschter Messtechnik, bieten die Fischers interessierten Fachbetrieben ein Partner-Konzept an. Nach einem ersten Beratungsgespräch, bei denen dien Ideen vorgestellt werden, erfolgt ein individuelles Leistungsangebot über Umfang und Laufzeiten. „Das Konzept ist ausdrücklich kein Franchise-Modell“, sagt Evelyn Fischer, „welche Leistungen letztlich genutzt werden, ist den Partnern freigestellt.“ Abhängig von der Vorerfahrung der Mitarbeiter und des Geschäftsmodells vor Ort können diese recht unterschiedlich ausfallen. Die Betonung liege auf einer gemeinsamen Partnerschaft. 

Genau an diesem Punkt setzt das gedankliche Modell der Fischers an. Die reine Hardware des Hearcubes ist zu vergleichbaren marktüblichen Konditionen erhältlich und eine gute Basis. Doch damit allein ist noch lange kein automatisches Erfolgskonzept im Geschäftsalltag garantiert. Damit sich die notwendigen Investitionen letztlich rechnen benötigt es eine entsprechende Kundenansprache. Je nach Vorerfahrung der Interessenten wollen die Fischers daher als Partner unterstützend und auf Augenhöhe auf verschiedensten Ebenen zur Seite stehen.

Optiker Mersmann wünschte sich zum Beispiel eine sehr umfassende Betreuung, andere Fachbetrieb können unter Umständen auf eigene Konzepte und Erfahrungen zurückgreifen und beschränken sich auf das Angebot einer zeitgerechten Anpasskabine. Fischer: „Die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Voraussetzungen ist elementar, um am Ende eine optimale Lösung zu erarbeiten.“ Aus den individuellen Bedürfnissen ergebe sich ein Gesamtangebot, das sich für alle Beteiligten auszahlt.

Transparentes Beratungs- und Servicemodell

Die Versorgung mit einem Hörsystem beinhaltet grundsätzlich zwei Dinge: Zum einen das technische System selbst und zum anderen die individuelle Anpassung. Besonders letztere kann bei einigen Kunden einen erheblichen zeitlichen Aufwand erfordern. Es ist eine Binse, dass Zeit Geld bedeutet. Normalerweise wird dieser Faktor in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation in der Hörakustik auf alle Kunden umgelegt. Hier setzt eine weitere Idee der Fischers an: Sie entwickelten ein Konzept, das den tatsächlichen Anpassbedürfnissen der Kunden entgegenkommt. Entstanden ist ein vierstufiges Beratungs- und Servicemodell, das Transparenz schafft und allen Seiten letztlich Vorteile bringt. Interessierte Fachbetriebe können dieses Beratungskonzept auf Wunsch übernehmen.

Die Basis des Konzepts ist das sogenannte Classic-Leistungspaket. Wie der Name es bereits andeutet, beinhaltet dies die traditionelle Hörgeräteanpassung. Ein erfahrener oder gut informierter Kunde wird vielleicht mit weniger Anpassterminen auskommen oder hat aufgrund seiner Vorerfahrung bereits bestimmte Produkte im Fokus. Dies reduziert den Zeitrahmen der Anpassung. Mit dem Flex-Leistungspaket kann man daher diesen Kunden entgegenkommen und eine Form des Rabatts anbieten. Weitere Pakete zielen auf agile Kunden ab, die sich in der digitalen Welt gut zurechtfinden. Eine Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen ist beim reinen Online-Kauf nicht möglich. Darauf wird in den Info-Materialien ausdrücklich hingewiesen. „Doch solche Online-Angebote gibt es heute am Markt”, erläutern die Fischers beim gemeinsamen Treffen in Hamm – es gäbe Kunden, die gezielt danach suchen, diese Klientel wolle man ebenso ansprechen. Den Online-Käufern soll bei Hearcube aber dennoch die Möglichkeit geboten werden, sich die Hörgeräte vor Ort bei einem Partner fachgerecht anpassen zu lassen. Grundsätzlich werden jedoch die Classic- und Flex-Pakete empfohlen.

Von der Idee in die Praxis

Was in der Theorie gut klingt, muss sich in der Praxis beweisen. Steht man vor dem Fachgeschäft in Bockum-Hövel, fällt sofort ein Schnellhörtester direkt am Eingang ins Auge. Auch finden sich im Schaufenster gut sichtbare Hinweise auf das Hörgeräteangebot. Diese Präsenz ist nicht überall selbstverständlich. Die Verkaufsräume selbst sind hell und offen gestaltet.

Beim Besuch stellte sich zunächst die Frage, ob der Hearcube wirklich so einfach aufgebaut werden konnte wie versprochen. Mersmann war diesbezüglich anfangs durchaus skeptisch. Doch tatsächlich erfolgte der Aufbau problemlos innerhalb eines Tages, an einem weiteren Tag wurde die komplette Messtechnik betriebsfertig eingerichtet. Vor der Eröffnung wurden die mit der Hörakustik betrauten Mitarbeiter Anfang des Jahres 2023 ausführlich eingewiesen und an einem Wochenende im Frühjahr fand die feierliche Eröffnung statt, bei der das Hearcube-Team anwesend war.

Natürlich war es interessant zu erfahren, wie es dann am folgenden Montag alleine auf sich gestellt weiterging. „Ein wenig aufgeregt” sei sie gewesen, berichtet Meisterin Lisa Beilenhoff, die von vorbereitenden Praktika in Hamburg profitierte. „Alles andere wäre ja ungewöhnlich”, ergänzt sie. Doch das legte sich rasch und die Fischers standen ihr und ihrer Assistentin Petra Caldewey bei Fragen zur Verfügung.

Der gut gelaunte Inhaber Georg Mersmann (ganz rechts) mit seinem „Kompetenzteam Hörakustik“ (v. l.): Johannes und Evelyn Fischer, Lisa Beilenhof und Petra Caldewey.

© Stephan Geist

Partnerschaftliche Betreuung

Das Angebot einer engen umfassenden Partnerschaft war letztlich ein entscheidender Punkt, der Mersmann überzeugte. Die Fischers unterstützen ihn nicht nur bei Ausstattung und Anpasskonzepten, sondern mit entsprechenden Marketingmaterialien, sind bei Fragen für ihn und seine Mitarbeiter immer erreichbar und stehen bei betriebswirtschaftlichen Abläufen hilfreich zur Seite. Hier profitiert er von der langen Erfahrung des Ehepaars in der Hörakustik. Besonders bei Dingen wie der Abrechnung mit den Krankenkassen oder im Bestellwesen mit den Herstellern kann er auf die Hilfe aus Hamburg vertrauen. Diese partnerschaftliche Betreuung ist ein entscheidender Aspekt des Angebots an die Fachbetriebe in der Augenoptik und ein Schlüssel für den Erfolg. Wichtig für Mersmann war und ist die Transparenz und Offenheit des gesamten Konzepts. Als traditioneller Fachbetrieb vor Ort hat er über Jahrzehnte ein hohes Maß an Vertrauen bei den Kunden gewinnen können. Dies zahle sich jetzt in der Hörakustik aus.

Die Hörakustik wird im Fachgeschäft selbstbewusst präsentiert. Beispielsweise erstellt Mersmann regelmäßig einen vierseitigen Flyer, indem er seine aktuellen Angebote präsentiert. Inzwischen ist in diesem eine ganze Seite der Hörakustik gewidmet. Ebenso sind im Fachgeschäft Gutscheine für einen kostenfreien Hörtest und eine Hörberatung gut sichtbar ausgelegt. Oftmals haben Kunden aus der Augenoptik Angehörige, die von Hörproblemen betroffen sind. Mit diesen Gutscheinen schaffe man ein niederschwelliges Angebot, Kunden anzusprechen und auf die Leistungen in der Hörakustik aufmerksam zu machen. Auffällig an den Fischerschen Beratungs- und Marketingmaterialien ist das Design, das ganz im Hearcube-Markenauftritt gehalten ist. Dies unterscheidet sich zwar deutlich von Mersmanns Auftritt in der Augenoptik, doch wird das von den Kunden nicht als widersprüchlich empfunden. Im Gegenteil vermittelt es eher den Eindruck, dass hier eine eigenständige Qualitätsmarke präsentiert wird. Das grundsätzliche Interesse am Thema Hören ist bei den Kunden auf jeden Fall vorhanden, erläutert Mersmann. So werde der Schnellhörtester am Eingang intensiv genutzt und ist nicht nur ein einfacher Eyecatcher, wie manch einer vielleicht im ersten Moment vermuten mag. 

Eine Nummer größer - und noch transparenter

Interessierte Kunden können natürlich jederzeit beim Kauf einer Brille direkt angesprochen werden und das Augenoptik-Team gewinnt von Tag zu Tag mehr Interesse an der Materie. Entsprechende Fort- und Weiterbildungen sind in Planung, um noch mehr Mitarbeiter für die Hörakustik zu gewinnen. Lisa Beilenhoff bestätigt zudem, dass auch der umgekehrte Weg funktioniert. Wer bei ihnen zuverlässig mit Hörsystemen versorgt und betreut wurde, wird sich beim nächsten Brillenkauf gerne vertrauensvoll an Mersmann und seine Mitarbeitenden wenden. Die Synergieeffekte treten also in beiden Richtungen auf. Dabei ist man nicht der einzige Anbieter vor Ort. Neben Augenoptikern gibt es im Ort bereits zwei reine Hörakustik-Fachgeschäfte. Die Kombination beider Gewerke in einem Fachgeschäft sei aber für viele Kunden attraktiv, merken Mersmann und Beilenhoff an.

Und wie geht es weiter? Georg Mersmann lacht und zückt sein Smartphone. Er zeigt ein Foto aus der Filiale im nahegelegenen Münster. Auch dort ist der Hearcube inzwischen aufgebaut. Eine Nummer größer und noch transparenter als in Bockum. Das Konzept von Augenoptik und Hörakustik in einem Fachgeschäft scheint also erfolgreich zu funktionieren.

Geschrieben von

Stephan Geist

Stephan Geist

Hörakustiker, Fachautor

Stephan Geist ist gelernter Hörakustiker und heute als freier Fachautor tätig. Dabei profitiert er von seiner langjährigen Erfahrung in der Hörsysteme-Industrie, in der er in den Bereichen Audiologie, Training und Marketing beschäftigt war. 

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