DOZ Juni 2013 - page 2

1
DOZ
06 | 2013
Brauchen Sie Geld? Klar. Der eine be-
kommt es allerdings leichter als der an-
dere.
Dass Mister Spex, alias Geschäftsfüh-
rer Dirk Graber, eine „Millionenspritze“
bekommt, mag dem ein’ oder anderen
DOZ-Leser über die Hutschnur gehen.
Ändern wird das nichts. Der Igelschnitt-
Träger und frühere Boston-Consulting-
Berater Graber erkannte Ende 2007, dass
mit Brillen im Netz Geld zu machen ist
und setzt seitdem konsequent auf das
Online-Geschäft. Stopp, das ist so nicht
ganz richtig, denn er setzt nicht mehr nur
auf das Internet, sondern auch auf seine
stationären Handelspartner.
Der Mann reagierte flexibel auf Kun-
denbedürfnisse und formte seinen On-
line-Shop zum zweigleisigen System um.
Und er bleibt auch jetzt in Bewegung. Er
stockt sein Kapital auf, um handlungs-
fähig zu bleiben.
Allerdings dümpelt Mister Spex seit
seiner Gründung nach wie vor in den
roten Zahlen rum. 2011 waren es mit
3,7 Millionen Euro 20 Prozent Miese von
selbst angegebenen 17 Millionen Euro
Umsatz. Im vergangenen Jahr lief es ähn-
lich, sagte Graber neulich noch zu „Brand
eins“, einem beliebten Wirtschaftsmaga-
zin. Angeblich will das Berliner Startup-
Unternehmen im kommenden Jahr end-
lich in die Gewinnzone rudern. Nicht nur
dank Fernsehwerbung und breit gestreu-
ter Brillengutscheine – zum Beispiel über
Amazon-Buchlieferungen – sondern auch
dank seiner augenoptischen Partner, die
für ihn mit 15 Euro mäßig honoriert
refraktionieren.
Bei Grabers hat man erkannt, dass ihr
Netzverkauf eine deutliche Verbindung
ins Hier und Jetzt braucht: per Werbung,
Gutschein oder vor allem per Augen-
optiker. Das ist der finanzielle Pferdefuß,
den der forsche Optik-Newcomer hinter
sich herzieht. Denn auch im E-Commerce
geht nicht alles wie von selbst.
Es heißt zwar immer, dass der sta-
tionäre Handel teurer ist wegen der lau-
fenden Kosten aus Miete, Nebenkosten,
Personal, Werkstatt und so weiter. Doch
wer mitbekommen hat, dass der Online-
Händler neulich noch von Hackern heim-
gesucht wurde, die ihm zahlreiche Kun-
dendaten vom Server klauten, weil diese
dort völlig unverschlüsselt lagen, hat ge-
merkt: Auch Internetverkauf braucht
Investitionen und Knowhow. Dieses hat
gerade bei den neuen Technologien kür-
zeste Verfallsdaten. Dafür insgesamt
kommen Mister Spex 16 Millionen Euro
gerade recht. Hauptinvestor sind Scottish
Equity Partners (SEP), aber auch Altin-
vestoren wie Xange und DN Capital sind
in der Finanzierungsrunde dabei.
Die aktuellen Zahlen des Online-Han-
dels bei Brillen schätzen Experten aus
der augenoptischen Branche zurzeit üb-
rigens insgesamt auf rund 150.000 bis
170.000 Korrektionsbrillen. Bei 11,3 Mil-
lionen Brillen, die im Vorjahr verkauft
wurden, wäre das rund 1,5 Prozent. Gleit-
sichtbrillen sollen mit etwa 6.000 Stück
dabei sein. Wen wundert es, dass die
Onliner sich gern über konkrete Absatz-
zahlen für Korrektion ausschweigen?
Wenn es um diesen neuen Vertriebs-
weg für Brillen geht, muss deswegen kein
Augenoptiker nervös werden. Die Frage
bleibt, wer sich demnächst dort tummeln
wird, um sein vielleicht jetzt schon weit
verzweigtes stationäres Geschäft, sinn-
voll mit dem World-Wide-Web zu ver-
knüpfen, ganz im Sinne der Kundenbe-
dürfnisse. Neudeutsch auch als „Multi-
Channel-System“ bekannt. Versuche da-
zu gibt es einige, – sei es die AMA, Optic-
land oder Brillen-Butler. Durchschlagen-
der Erfolg war bisher keinem vergönnt.
Wichtig bleibt, online wie offline, im
Sinne der Kundenorientierung wach und
flexibel zu reagieren. Denken Sie schon
darüber nach, wie viel flüssiges Geld Sie
haben oder wer Ihnen den nächsten Kre-
dit gibt? Worin wollen Sie im Sinne Ihrer
Kunden investieren? Oder bleibt es aus
betriebswirtschaftlichen Gründen bei ei-
ner Motivationsspritze?
Anregungen für mehr Kundenorien-
tierung gibt Ihnen allmonatlich Ihre DOZ!
Grüße aus dem Hier und Jetzt
EDITORIAL
Christine Höckmann
DOZ Chefredakteurin
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
Millionenspritze
1 3,4,5,6,7,8
Powered by FlippingBook