DOZ_Vorschau_0914 - page 2

1
DOZ
09 | 2014
„Kann ich Ihnen zu Ihren Schuhen auch
noch ein Pflegspray oder ein paar Ein-
legesolen anbieten?“ – Marketingmetho-
den wie diese verhindern mit hoher
Wahrscheinlichkeit, dass aus Gelegen-
heitskäufern treue Stammkunden wer-
den. Das zumindest ergab eine Umfrage
der Unternehmensberatung Accenture.
Danach schreckt Kunden nichts mehr ab,
als wenn der Verkäufer auf Krampf ver-
sucht, ergänzende Produkte an den Mann
zu bringen. Manch einer der Befragten
empfand dieses Vorgehen, auch Cross-
Selling genannt, sogar als noch lästiger
als die Launen muffeliger Verkäufer.
In dasselbe Horn stößt auf den ers-
ten Blick die jüngste Allensbach-Studie
(2011). Ihr zufolge besitzt jeder deutsche
Brillenträger im Durchschnitt knapp zwei
Brillen, mit denen er gut sehen kann.
42 Prozent der Brillenträger haben aller-
dings nur eine Brille. Im Vergleich zur
Vorgängerstudie von 1993 hat sich an
der Brillensituation in Deutschland fast
nichts verändert. Man könnte meinen, die
Deutschen haben keine große Lust auf
schicke und daher am besten gleich
mehrere Brillen. Außerdem könnte man
schlussfolgern, dass gutes Sehen, idea-
lerweise in den unterschiedlichen Le-
benssituationen, höchstens die zweite
Geige im Leben eines Brillenträgers un-
serer Nation spielt. Ob das nun wirklich
so ist, erfahren Sie unter anderem im Ar-
tikel der Marktforscherin Elke Dobisch.
Werfen wir aber einen zweiten und tie-
feren Blick auf die Materie, wandelt sich
das Bild: Zwei Bachelor-Arbeiten zu den
Themen Cross-Selling und Mehrbrillen-
verkauf verlagern den Akzent. Sie weisen
darauf hin, dass das Potenzial in Bezug
auf die Brille beim Kunden vorhanden ist,
hingegen in der Kundenberatung brach
liegt. Auch geht es nicht um mangelndes
Taktgefühl oder zu wenig Freundlichkeit
seitens der beratenden Augenoptiker,
sondern um den offenbar fehlenden Mut
zur Auseinandersetzung mit dem Kun-
den. Stichwort Bedarfsermittlung – für
die privaten wie die beruflichen Seh-
anforderungen.
Mehrere Dozenten bestätigten die
Scheu der Augenoptiker auf Nachfrage.
Sie waren sich einig, dass die meisten
Augenoptiker sogar Angst hätten, Quali-
tätsware zu erklären und zum entspre-
chenden Preis zu verkaufen. Obwohl die
Kunden in der Regel bereit seien, etwas
tiefer in den Geldbeutel zu greifen, wenn
man ihnen den Nutzen anhand der vorher
durchgeführten Bedarfsanalyse klar vor
Augen führt und an Beispielprodukten
zeigt. Wir sehen: Das Beratungsgespräch
ist der Knackpunkt. Hat der Augenoptiker
da den Dreh raus, verkauft er bis zu
50 Prozent höher im Preis. Dann wird
auch der Mehrbrillenverkauf weniger
Last als viel mehr Lust.
Liebe Leserinnen und liebe Leser, im
Sinne der Entwicklung des eigenen Ge-
schäftes und der Verbesserung von Um-
satzchancen kommen Sie um Zusatz- und
Mehrverkäufe nicht herum. Seien es die
Kontaktlinsen als Alternative zur Brille
für den Abend, die individuell abge-
stimmte Lösung für den Sport, am Ar-
beitsplatz, oder die Lesebrille für Lese-
ratten … Sprechen Sie bei der Kunden-
beratung auch die Gefühlsebene Ihres
Gegenübers an. Die Arbeit mit dem emo-
tionalen Aspekt ist erlernbar und macht
aus Gelegenheitskäufern die heiß ersehn-
ten Stammkunden. Nur Mut!
Ihre
EDITORIAL
Judith Kern
DOZ Chefredakteurin
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
Dem Kunden auf die
Schliche kommen
1 3,4,5,6,7,8
Powered by FlippingBook