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AKTUELL
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DOZ
03 | 2014
Mitte Januar hat das Wirtschaftsminis-
terium in Nordrhein-Westfalen (NRW)
die Weiterbildung zum Optometristen
(HWK) genehmigt (DOZ 2-2014, S. 6) –
zuvor hatten die zuständigen Minis-
terien die Weiterbildung in den Bun-
desländern Brandenburg und Sachsen
bereits abgenickt. Die jüngste Ent-
scheidung in NRW erfolgte allerdings
gegen den Widerstand des dortigen
Gesundheitsministeriums, das im Ver-
fahren um die Einführung der Weiter-
bildung angehört wurde.
Die Reaktion des Gesundheitsministe-
riums, ein sechsseitiges Schreiben an
die Unteren Gesundheitsbehörden in
NRW (siehe nebenstehenden Kasten),
kam rasch. Zudem erreichte das Schrei-
ben in gekürzter Fassung auch viele
Augenoptikbetriebe. Nicht nur die
Reaktionsgeschwindigkeit des Ministe-
riums sondern auch das Schreiben
selbst ist bemerkenswert:
Das Schreiben des
Gesundheitsministeriums
verwundert
So verwundert zunächst, dass das Gesund-
heitsministerium mit seinem Anliegen den
regulären Verfahrensweg missachtete
und die Unteren Gesundheitsbehörden
direkt und nicht, wie sonst üblich, über
die Bezirksregierungen kontaktierte. Er-
staunlich ist dann die Unterstellung, das
Wirtschaftsministerium habe sich „auf-
grund der Genehmigungsregelung nach
der Handwerksordnung zu einer Geneh-
migung gezwungen“ gesehen. „Dies ent-
spricht nicht den Tatsachen“, erklärt ZVA-
Geschäftsführer Dr. Jan Wetzel. „Das
Wirtschaftsministerium und die Hand-
werkskammern sind wie alle Behörden
an Recht und Gesetz gebunden. Alle
Beteiligten haben die Rechtslage genau
geprüft. Danach sind sowohl die Fundus-
betrachtung als auch die Prüfung des
vorderen Augenabschnitts handwerkli-
che Tätigkeiten, wenn sie von einem Au-
genoptiker mit dem Ziel durchgeführt
werden, Auffälligkeiten an den Augen der
Kunden festzustellen.“
Aber auch in der Sache selbst finden
sich viele Ungereimtheiten: So soll neben
der Fundusbetrachtung auch die Inspek-
tion des vorderen Augenabschnittes
zwingend eine heilkundliche Tätigkeit
sein. Wenn dies zuträfe, wie sollen Au-
genoptiker künftig Kontaktlinsen anpas-
sen? Auf Nachfrage eines Augenoptikers
teilte eine Gesundheitsbehörde mit, dass
das Schreiben so nicht zu verstehen sei.
Der vordere Augenabschnitt beginne bei
der Linse. ZVA-Präsident Thomas Tru-
ckenbrod gibt zu bedenken: „Es ist nicht
akzeptabel, wenn das Gesundheitsminis-
terium drastische Maßnahmen wie Straf-
verfahren gegen Augenoptiker fordert,
zur Begründung teilweise ungeprüfte
und falsche Behauptungen aufstellt und
die gesamte Sach- und Rechtslage nur
einseitig beleuchtet.“
Viele Ungereimtheiten und
falsche Behauptungen
Ebenso falsch sind die Behauptungen
des NRW-Gesundheitsministeriums, die
Fundusbetrachtung könne nur bei mit
Medikamenten erweiterten Pupillen
durchgeführt werden und es gebe keine
haftungsrechtlichen Absicherungen der
Augenoptiker, wenn Kunden – auf welche
Art und Weise auch immer – durch die
Fundusbetrachtung einen Gesundheits-
schaden erlitten. Richtig ist vielmehr, dass
der ZVA bereits 1999 für alle Innungs-
betriebe eine Gruppenhaftpflichtversi-
cherung abgeschlossen hat, die für alle
Personenschäden eintritt, die infolge
einer fehlerhaften Refraktionsbestimmung,
einer fehlerhaften Kontaktlinsenanpas-
sung oder einer fahrlässig unterbliebe-
nen Verweisung an einen Arzt entstehen:
Bis heute gab es in diesen 15 Jahren kei-
nen einzigen Haftpflichtfall!
Schließlich lässt das Gesundheitsminis-
terium völlig unberücksichtigt, dass der
Gesetzgeber in der Augenoptikermeis-
terverordnung – die unter Beteiligung
der Augenärzte im Jahr 2005 verfasst
wurde – von einem Augenoptikermeister
erwartet, dass er in der Lage ist, Auffäl-
ligkeiten am Auge festzustellen, Sehleis-
tungsminderungen zu erkennen und ein
weiteres Vorgehen zu begründen. Es ge-
hört nach der Verordnung zur Aufgabe
des Augenoptikermeisters, eine beste-
hende Fehlsichtigkeit des Kunden zu be-
werten. Wenn man den Gesetzgeber ernst
nimmt, dann müssen den Augenoptikern
auch die nicht-invasiven und ohne Medi-
kamente durchführbaren Maßnahmen
gestattet sein, damit sie die Erwartungen
erfüllen können; zu diesen Maßnahmen
gehört auch die Fundusbetrachtung.
NRW: Weiterbildung
gegen den Willen des
Gesundheitsministeriums
genehmigt
ZVA-Präsident Thomas Truckenbrod bei der
Obermeistertagung im Oktober 2013 in Pots-
dam: „Niemand will Augenarzt spielen! Aber
Augenoptiker müssen schon prüfen, ob sie
das Sehproblem der Kunden mit Kontaktlin-
sen beziehungsweise mit einer Korrektions-
brille lösen können. Deshalb müssen sie in
der Lage sein, technische Kontraindikationen
für eine Sehhilfe zu erkennen. Und das geht
einfach nicht, ohne dabei ins Auge zu schauen
einfach!“
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