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DOZ
04 | 2013
…Wo laufen die Kunden denn hin?
Ich liebe Loriot. Nun ist der Mann ja
schon tot, aber sein Werk ist lebendig
wie eh und je. Klar kennen Sie den Spot
„Auf der Rennbahn“, in dem ein völlig
unbedarfter Zuschauer eine Pferderenn-
bahn besucht und verzweifelt (nach den
Trabern) Ausschau hält… Aber das ist
eigentlich nur ein nettes Bild für eine
zentrale Frage der Augenoptik: Wo bleibt
die Kundenfrequenz?
Der Blick auf die Stückzahlen jeden-
falls ist ernüchternd. Das wurde auch auf
der jüngsten ZVA-Obermeistertagung
deutlich. Der Vergleich der Erfa-light-
Statistiken der vergangenen sieben Jahre
spricht eine deutliche Sprache: Ein Minus
bei den Brillen-Stückzahlen von 15 Pro-
zent weisen sie den mittelständischen
Betrieben nach, während die Großen ent-
sprechend mehr vom Kuchen einheimsten.
Und dann auch noch dieses Wetter!
Dank Dauerbewölkung seit Januar und
Blitzeis im März hatte sich so mancher
Verbraucher eingemottet. Selbst die spo-
radisch vorlugende Sonne konnte die
Kundenfrequenz in den vergangenen
Wochen nicht nachhaltig stärken. So wa-
ren beispielweise in der zehnten Woche
vier Prozent weniger Besucher auf den
Einkaufsstraßen im deutschen Einzel-
handel unterwegs als noch im Vorjahr.
Abermals verzeichnete der Footfall-Index
einen Frequenzeinbruch für die Innen-
städte. Haben Sie’s auch gespürt?
Die Umsatzzahlen der augenoptischen
Mittelständler waren seit Jahreswechsel
allgemein bescheiden, hört man von Bran-
cheninsidern. Die Erfa-light-Statistik des
ZVA spricht von minus 1,4 Prozent Um-
satz bei der Brillenoptik, und auch die
Stückzahlen rutschen weiter ab: minus
3,4 Prozent bei den Brillen. Weniger offi-
ziell als hinter vorgehaltener Hand be-
kommt man die gleichen Kommentare
von Herstellern aus der Industrie zu hören.
Der Herzschlag des Unternehmers legt
zu: Wie kommt Schwung in den Laden?
Nur „Klasse statt Masse“ kann landauf-
landab nicht funktionieren. Da ist die
Branche bald bei Mondpreisen – und der
umgekehrte Ansatz, auf stetigen Preis-
verfall zu setzen, bringt es auch nicht.
Selbst einige Filialisten haben mit Um-
satzrückgängen zu kämpfen, heißt es.
Dass die Großen mit ihrer Massenware
nicht immer die Glücklichen sind, ließ
sich bei der jüngsten Mido beobachten.
Zahlreiche kleinere Aussteller waren auf-
grund ihrer Besucherresonanz geradezu
euphorisch. Hier zeigt sich ein Trend,
der auch dem mittelständischen Augen-
optiker zugutekommen kann: Klein – ist
das neue Groß! Oder zu gut Denglisch:
„Small is the new big“ – Kleiner und
feiner denken ist eine Herausforderung
bei der Informationsflut von heute. Das
Besondere für das eigene Sortiment zu
finden. Aber dass Augenoptiker im Beset-
zen von Nischen und der Auswahl von
besonderen Labels top sind, beweisen sie
immer wieder.
Hier ergibt sich eine Chance für den
Mittelstand, der den neuen Nerv der Kon-
sumenten trifft. Denn der Zeitgeist gibt
kleinen Labels immer mehr Zukunft: Sie
sprießen entsprechend überall aus dem
Boden. Ob in Berlin, Bochum, Zürich,
London oder Kopenhagen – mit Lokal-
kolorit und hohem Qualitätsanspruch.
Bei Finanzmärkten, die sich als ab-
strakte schwarze Löcher entpuppen, sucht
der Otto-Normalverbraucher sein Heil im
Heimeligen, Besonderen oder in (ver-
meintlich) echten Werten: Betongold
und Möbel. Oder eben in seiner neuen
Karbon- oder Holzbrille! Manchmal ist
klein eben schöner als groß.
Und wie läuft’s bei Ihnen?
EDITORIAL
Christine Höckmann
DOZ Chefredakteurin
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
Ja, wo laufen sie denn?
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