Neue Studie

Forschende entschlüsseln Protein im Auge

Biologen am Paul-Scherrer-Institut (PSI) in der Schweiz haben die Struktur eines für das Auge wichtigen Proteins entschlüsselt. Die Ergebnisse ihrer im Fachmagazin „Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlichten Studie könnten dabei helfen, Heilmethoden für bisher unheilbare Erbkrankheiten zu entwickeln.
PSI-Biologe Jacopo Marino im Labor

PSI-Biologe Jacopo Marino im Labor

© Paul Scherrer Institut/Markus Fischer

Forschende am Paul-Scherrer-Institut in Villigen (CH) haben einen wichtigen Bestandteil im Auge entziffert. Es handelt sich um die Struktur eines Proteins in den Stäbchenzellen der Netzhaut. „Den Stäbchenzellen in unserem Auge verdanken wir es, dass wir die Sterne am Nachthimmel betrachten können“, erklärt Jacopo Marino, Biologe im Labor für biomolekulare Forschung. Diese Sinneszellen seien so lichtempfindlich, dass sie selbst ein paar Photonen erkennen, die uns von Orten weit weg im Weltall erreichten. Dass wir diese Lichtstrahlen als Seheindruck im Gehirn wahrnehmen, liege unter anderem an dem sogenannten CNG-Ionenkanal, dessen dreidimensionale Struktur die Forschenden rund um Jacopo Marino entschlüsselt haben, teilt das PSI mit. Der Ionenkanal, der in der Tellmembran der Stäbchenzellen eingebettet ist, besitzt die Aufgabe eines Pförtners, der regelt, ob und welche Ionen-Teilchen ins Innere der Sinneszelle gelangen können.

Im Labor bearbeitet eine junge Frau eine Probe

Doktorandin Diane Barret bereitet eine Probe für die Kryo-Elektronenmikroskopie vor.

© Paul Scherrer Institut/Markus Fischer

Zwei Jahre geforscht

Um die natürliche Struktur des Kanalproteins zu analysieren, hat die Doktorandin Diane Barret dieses zwei Jahre lang aus Augen von geschlachteten Kühen isoliert. „Das war eine sehr herausfordernde Aufgabe, denn das Protein ist sehr empfindlich und zersetzt sich schnell. Auch liegt es in nur sehr geringen Mengen in dem Ausgangsmaterial vor“, so die Doktorandin Barret. Mit der Technik der Kryo-Elektronenmikroskopie ermittelten die Forschenden schließlich die dreidimensionale Struktur des Ionenkanals. „Im Gegensatz zu anderen Arbeiten zur Struktur des Ionenkanals, die bereits existieren, haben wir das native Protein untersucht, so wie es im Auge vorliegt. Wir sind also viel näher an den realen Bedingungen, wie sie im Lebewesen existieren”, sagt Barret. Die natürliche Struktur des Kanalproteins genau zu kennen, sei unter anderem wichtig, um Behandlungen für bisher nicht heilbare Erbkrankheiten zu entwickeln, zum Beispiel Retinitis pigmentosa. Dabei sterben die Sehzellen nach und nach ab, die Menschen erblinden. Eine mögliche Ursache ist laut der Mitteilung des PSI, dass der Körper das CNG-Kanalprotein aufgrund eines Fehlers im Erbgut nicht richtig herstellen kann.

Neue Therapieansätze

„Findet man Moleküle, die derart auf das Protein einwirken, dass es wieder funktioniert, könnte man das Absterben der Zellen verhindern – und damit auch, dass die Menschen erblinden“, erklärt Jacopo Marino. Das Protein setzt sich aus vier Teilen zusammen: dreimal die Untereinheit A, einmal die Untereinheit B. Nur in dieser Kombination bildet sich ein funktionsfähiger Ionenkanal. Die Forschenden zeigen in ihrer Studie, warum die B-Untereinheit offensichtlich eine so wichtige Rolle spielt: Ein Seitenarm des Proteins, eine einzige Aminosäure, ragt aus dem Rest des Proteins hervor, ähnlich einer Schranke an einem Pförtnertor. Dadurch wird der Durchgang im Kanal derart verkleinert, dass keine Ionen passieren können. Wie die Forscher zeigten, findet sich die zusätzliche Schranke nicht nur im Protein des Kuhauges, sondern quer durch alle Tierarten. Alle Lebewesen, die den Ionenkanal in ihrem Auge ausbilden, haben an dieser Stelle des Proteins die gleiche, herausstehende Aminosäure. Evolutionär betrachtet zeige dies, dass diese für die Funktion des Kanals unabdingbar sein müsse. Auf der Grundlage dieser neuen Erkenntnisse sei es möglich, an Heilmethoden für bisher nicht heilbare Erbkrankheiten zu arbeiten.