DOZ 10/13 Vorschau - page 2

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DOZ
10 | 2013
„Das Internet ist für uns alle Neuland“,
sagte Angela Merkel auf eine Frage zum
Spähprogramm „Prism“ bei einer Presse-
konferenz mit US-Präsident Barack Oba-
ma im Kanzleramt. In Sekundenschnelle
wirbelte ein Shitstorm mit dem Hashtag
#Neuland durch das weltweite Netz, in
dem sie für ihre vermeintlich unbedarfte
Art, das Know-how ihrer Landsleute unter
den Scheffel zu stellen, bestraft wurde.
Mir gefällt das Schlagwort.
Betreten wir nicht täglich Neuland?
Hoffentlich! Denn nur ungewohnte Er-
fahrungen bezeugen, dass wir hungrig
und neugierig sind. Wenn wir nach den
großen Entdeckern fragen, kommen uns
sofort Columbus oder Neil Armstrong in
den Sinn. Während diese Herren sich auf
die Suche nach neuen Kontinenten oder
Himmelskörpern machten, sind es heute
ganz andere Dimensionen, die wir zu er-
forschen haben. Die Vorbereitungen für
Pilotprojekte sind allerdings manchmal
ähnlich intensiv.
Das Internet hat unser Leben in den
vergangenen 30 Jahren grundlegend ver-
ändert. Die Generation 2.0 ist ständig
online. Da wird getwittert, gepostet, ge-
pinnt, was das Zeug hält. Nicht, dass
Sie denken, hier sei mit „Pinnen“ das alt-
hergebrachte „Schreiben“ gemeint. Nein,
sorry. Aber seien Sie nicht zu streng mit
sich selbst: Dass „Pinterest“ eine der an-
gesagten Social-Media-Plattformen ist,
haben in D’schland nur wenige der großen
Unternehmen begriffen. Überhaupt ist in
Sachen Professionalisierung im Social
Web noch viel Luft nach oben.
Die schmerzliche Erfahrung, online
Schiffbruch zu erleiden, machten kürzlich
56 Augenoptiker, die sich vor gut einem
Jahr zusammengefunden hatten, um als
„Brillebitte AG“ einen gemeinsamen On-
lineshop zu gründen. Während sich die
Großen aus der Branche mit „Millionen-
spritzen“ (siehe DOZ 06-2013) und frem-
dem Kapital im www tummeln, gingen
die Internet-Neulinge mit ihrem guten
Willen und 340.000 Euro an den Start.
Jetzt kam das Aus für die Brillebitte AG
(siehe Seite 14).
Obwohl in anderen Online-Branchen
Milliardenumsätze generiert werden und
zweistellige Zuwachsraten an der Tages-
ordnung sind, tut sich die Augenoptik
schwer. ZVA-Präsident Thomas Trucken-
brod behauptet, dass das Internet grund-
sätzlich kein erfolgreicher Vertriebskanal
für Brillen sei. In einer der jüngsten Pres-
semitteilungen des Verbandes wird er
weiter zitiert: „Die Brille ist ein derart be-
ratungsintensives Produkt, das der an-
spruchsvolle Kunde nicht ohne Dienst-
und Handwerksleistung kaufen möchte.“
Große Onliner wie Brille24 oder Mister
Spex argumentieren ihren Investoren ge-
genüber erfolgreich anders. Klar geht es
immer wieder nicht nur um die Korrek-
tion, sondern auch um Sonnenbrillen und
Kontaktlinsen. Genauso schaffen es einige
kleinere Augenoptiker mit ihren lokalen
Onlineshop-Angeboten.
Das Internet ist Realität. Ihr muss
allerdings mit dem notwendigen tech-
nischen Know-how und unternehmeri-
schen Kalkül begegnet werden. Vogel-
Strauß-Politik hilft nicht weiter. Eher
geschicktes Vorbereiten, wie es bei dem
großen Grauen aus dem hohen Norden
und seiner Tochter „Fielmann Ventures“
zu beobachten ist. Hier erblickte neulich
zum Beispiel eine iPhone-App zur Nach-
bestellung von Kontaktlinsen das Licht
der Welt.
Geben Sie mal in Ihrer Suchmaschine
„Onlineshops für Brillen“ ein: Meine
spuckte innerhalb von 0,13 Sekunden
ungefähr 3.910.000 Ergebnisse aus.
Brille24 rangierte auf Platz eins als ein-
zige deklarierte Anzeige. Was so etwas
kostet? Zum Beispiel berappen Online-
shops für so einen Click über Google auf
ihre Website rund 80 Cent bis zu über
einem Euro. Und wie viel Clicks braucht
es, bis eine Brille online verkauft wird?
Fragen über Fragen von der augenop-
tischen Insel der Glückseligen im Anflug
auf #Neuland.
Wir starten dazu ein Experiment in un-
serem DOZ-Blog: DOZ-Leser fragen, wir
suchen Antworten!
Neugierig Ihre
EDITORIAL
Christine Höckmann
DOZ Chefredakteurin
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
Grüße aus #Neuland
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