Spezialist für Sportoptik: "Hat mir Kunden gebracht, die mich sonst nie gefunden hätten"

Fahrradfahrer mit Sportbrille
Gute Sicht und sicheren Augenschutz beim Sport - Sportaugenoptiker sind Spezialisten für das Sehen im Sport.
© gpointstudio / AdobeStock

Sportoptik boomt: Immer mehr Menschen treiben Sport und wollen dabei auch optisch gut versorgt sein. Aber: Wie wird man zum Experten für Sportoptik? Wir haben nachgefragt bei Jens Heymer von „Der Blick“ aus Bielefeld. Der Augenoptikermeister hat im Jahr 2000 seinen ersten Kunden mit einer Sportbrille versorgt – heute ist er einer der wenigen vom ZVA ausgewiesenen „Spezialisten für Sportoptik“. Was macht ihn zum Fachmann?

Die Sportoptik – Jens Heymer kam zu ihr wie die Hummel zum Flug: Die könne gar nicht abheben, physikalisch unmöglich sei das, heißt es fälschlicherweise, sie fliege aber trotzdem, weil sie das nicht wisse. „So war es auch bei mir“, erklärt der Augenoptikermeister im Gespräch mit der DOZ: „Ich habe es einfach durchgezogen.“ Durchgezogen heißt: eines Tages losgelegt – aus dem Bauch heraus. Als Heymer seinen Laden 1999 in Bielefeld übernimmt, gibt es in der Region niemanden, der Sportlern bei ihrer Tätigkeit zu guter Sicht verhilft. Auch Heymer hat keine entsprechende Expertise, sagt: „Das war zu der Zeit in der Branche relativ unbekannt. Unter einer Sportbrille verstand man landläufig das, was man einem Schüler auf die Nase setzte, damit der dem Ball in der Turnhalle hinterherlaufen konnte. Also mit speziellen Bügeln hinter dem Ohr – fertig.“

Jens Heymer
Dynamisch und gut gelaunt: Jens
Heymer (l.) 2010 mit seinem
damaligen Kollegen Markus
Cordsen. © privat

Ein Umstand, den Heymer schnell am eigenen Leib zu spüren bekommt: Kurz nach Übernahme des Ladens will er eine Sportsonnenbrille mit Glasstärke – für sich selbst. „Und alle Glashersteller, die ich damals angefragt hatte, haben gesagt: ‚Mit 3,0 Zylinder und Kurve 8,0? Vergiss es, das geht nicht.‘ “ Nach langem Suchen wird er schließlich doch fündig, ein Glaslieferant erbarmt sich. Heymer schickt seine Fassung ein, bekommt sie optimal verglast zurück, sieht damit „auf Anhieb“ gut. Der Augenoptiker ist begeistert, erzählt auch Kunden immer wieder von seiner Erfahrung. Bis der erste Interesse zeigt – und ebenfalls eine entsprechend verglaste Sportbrille haben will. Plötzlich setzt sich eine Entwicklung in Gang: Schritt für Schritt, Brille für Brille festigt sich Heymers Spezialistenstatus, Mund-zu-Mund-Propaganda macht ihn nach und nach bekannt. „Das brauchte ein bisschen, bis es sich rumgesprochen hat – aber es hat sich rumgesprochen!“

Laufen – die große Leidenschaft

Mit wachsendem Bekanntheitsgrad streckt der noch junge Inhaber auch seine unternehmerischen Fühler weiter aus. Vor Ort knüpft er Kontakte in die Branche, lernt einen Nordic-Walking-Trainer kennen, schlägt eine Kooperation vor – und so zwei Fliegen mit einer Klappe: „Ich hab gesagt: Ich bin zu schwer für meine Größe, muss was tun. Dann haben wir trainiert.“ Mit Erfolg: Vier Mal läuft Heymer in den Folgejahren beim sogenannten Hermannslauf mit – 31,1 Kilometer vom Hermannsdenkmal bei Detmold bis zur Bielefelder Sparrenburg. 7.000 Starter, zehn Prozent Wanderer, Nordic Walker, der Rest Läufer. Der beste Runner schafft die Strecke in rund zwei Stunden, ein guter Wanderer braucht vier. Heymer, der auch als Referent und Dozent zum Thema Sportoptik tätig ist: „Ich hab’s in unter fünf Stunden geschafft in meiner besten Zeit.“ Er bleibt dem Nordic Walking gewisse Zeit treu, doch irgendwann stören die Stöckchen beim zügigen Tempo. „Da bin ich zum Joggen übergangen, hab’s bis zum Halbmarathon gebracht und das sehr gerne betrieben.“ Heute sei er sehr viel mit dem Rad unterwegs, nicht wettkampfmäßig, „sondern einfach, um eine gute Zeit in der Natur zu haben und den Kopf freizukriegen.“ Seine große Leidenschaft sei aber das Laufen gewesen, sie bleibt unvergessen: „Es juckt mir wieder in den Fingern, habe ein paar Probeläufe gemacht, war beim Kardiologen, alles wunderbar.“

Trotz seiner breit gefächerten Sporterfahrung ist Heymer überzeugt: „Man muss nicht jede Sportart selbst betreiben, um ein Verständnis dafür zu bekommen, was dem Sportler wichtig ist.“ Allein durch seinen beruflichen Alltag bekäme er zahlreiche Einblicke in alle möglichen Sportarten, habe vieles kennengelernt: „Ich war zwar nie auf dem Golfplatz, aber ich weiß, worauf es bei einer Sportbrille für Golfer ankommt – weil ich nachfrage.“ Getreu dem Motto: Ist das grundsätzliche Sport-Interesse vorhanden, kommt der Rest bald von alleine. Der Rest, das heißt in konkreten Zahlen: Zwischen 150 und 170 Kunden versorgt „Der Blick“ pro Jahr mit Sportbrillen. Eine ordentliche Zahl für den Betrieb, in dem neben Inhaber Heymer lediglich noch eine Teilzeitkraft arbeitet.

Jens Heymar Fachgeschäft
Sportbrillen zahlreicher Hersteller und Marken: Einblick in „Der Blick“,
in dem „sportliche“ Logos das Bild prägen. © privat

Was ist also sein Erfolgsrezept, was zeichnet einen Sportoptiker aus? „Unerlässlich“ sei es, Erfahrungen zu sammeln, erklärt er, einfach mal zu machen, auch auf die Gefahr hin, dass etwas nicht funktioniert. Er weiß, wovon er spricht, der Weg zum Expertenstatus sollte sich als hart und steinig erweisen: Probleme mit Lieferanten, Probleme mit Produkten, die nur vorübergehend überzeugen konnten. Und: Probleme bei der Verglasung – etwa für die Brille eines lokal überaus bekannten Radsportlers. Der ließ sich bei Heymer auf Empfehlung eine Rennradbrille mit Innenclip anfertigen. „Hab ich tapfer gemacht, er konnte wunderbar gucken – aber nur, wenn er nicht auf dem Rad saß. Ich hatte den groben Fehler gemacht, die Höhe der Durchblickspunkte falsch einzuschätzen.“ Das Problem war schnell behoben, der Kunde zufrieden und Heymer um eine Erfahrung reicher: „Wenn man weiß, wie es beim nächsten Mal besser geht, hat man schon mal nicht alles verkehrt gemacht.“ Zahlreiche Berater hätten ihm geholfen, darunter sein Bruder, der für sich für Logos, Zeitungsanzeigen und Internetseiten (www.brille-bielefeld.de sowie www.sport-brille.de) verantwortlich zeichnet.

Spezialisten für Sportoptik – Mangelware

Bescheidene sieben „Spezialisten für Sportoptik“ listet der ZVA aktuell auf seiner Homepage, darun ter den für diesen Beitrag akquirierten. Angesichts von Angebot und Verbraucherinteresse tut sich die Frage auf: Wie kommt’s? Warum sind Spezialisten für Sportoptik offenbar Mangelware? Heymer vermutet unter anderem fehlende Ausdauer als Ursache. „In meinen Vorträgen habe ich von Anfang an gesagt: Ihr müsst Geduld haben, bis sich sowas amortisiert und etabliert.“ Viele würden mit Sportoptik anfangen, allzu bald denken, es rechne sich nicht – und wieder aufhören. Anderen wiederum fehle womöglich der Mut, über den augenoptischen Tellerrand zu blicken und sich zu fragen: „Gibt es außer Gleitsicht noch etwas, mit dem ich Geld verdienen kann?“ Anfangs hätten ihn die Kollegen belächelt, den Erfolg nicht für möglich gehalten. Später seien sie dann auf ihn aufmerksam geworden: „Hey, der nimmt uns Kunden weg! Das ist nach gewisser Zeit dann ins Positive gekippt: Nanu, der leiht sich die nur aus.“

Jens Heymer mit Kunden
Im Beratungsgespräch mit Kunden
demonstriert Heymer eine
Sportbrillenfassung. © privat

Viele Kollegen, auch Apollo und Fielmann, verweisen an ihn, wenn es um das Thema Sportbrille geht. Ein „innerer Ritterschlag“ sei das, formuliert Heymer: die großen Filialisten leihen ihm die Kunden aus. Da sei es nur fair, die auch wieder zurückzuschicken, sobald nach einer normalen Brille gefragt wird. Fairness – im Sport ohnehin keine ganz unbedeutende Größe. Das Geschäft mit Brillen für Bewegungsbegeisterte – es kann sich lohnen, wie Heymer aus eigener Erfahrung weiß: „Ohne die Sportoptik wäre ich hier am Standort nicht mehr existent. Das hat mir Kunden in den Laden gebracht, die mich sonst nie gefunden hätten.“

Besonderen Wert legt Heymer auf ein ungezwungenes Miteinander. Er fachsimpelt gern mit Sportbrillenkäufern, schildert Erfahrungen, tauscht sich aus. Sympathie erzeugt er schnell übers „Du“, das ist in 99 Prozent aller Fälle seine bevorzugte Ansprache, er läge fast immer richtig damit. Allerdings zeigt sich hier nicht nur der Sportoptiker, auch die Lebensphilosophie des zweifachen Papas blitzt durch: „Alle gehen ja zum Pipimachen aufs stille Örtchen – und wenn die ihren Sportdress anhaben und Sport treiben, sieht denen keiner an, dass die tagsüber eine Robe oder Uniform tragen.“ Das sei das Schöne daran. „Standesunterschiede gibt es nicht, jeder ist einfach nur Sportler. Und das macht es unheimlich entspannend.“


Autor: Christian Schutsch

Hinweis: Am 26.Juni ist Jens Heymer wieder als Referent aktiv: „Sportoptik: Chancen erkennen – Potenziale nut­ zen“ heißt das Seminar des SWAV im AWZ Karlsruhe, das sich an Gesellen und Meister richtet.