Brillensammler Udo Timm zeigt seine Schätze

Schlitzbügelbrille
Von der Schlitzbügelbrille existieren heute nur noch wenige Exemplare.
© Judith Kern/DOZ

Seit mehr als 45 Jahren sammelt er leidenschaftlich und im Verborgenen Brillen und alles, was mit der Brille in Verbindung steht. Udo Timm, Augenoptikermeister aus Hannover, ausgewiesener Experte, wenn es um die Historie der Brille geht, Repräsentant des „Ophthalmic Antiques International Collectors Club“ in Deutschland, in dem sich Brillensammler aus aller Welt zusammengeschlossen haben, und DOZ-Autor. „Den Startschuss gaben zwei ovale und gebläute Stahlbrillen im Jahr 1971“, erklärt der leidenschaftliche Sammler. Diese habe er von einem Ehepaar jenseits der 70 Jahre bekommen. Sie gingen in seinem Augenoptikfachgeschäft in Hannover regelmäßig ein und aus. Ihm allerdings sei schon damals klar gewesen, so der Norddeutsche, dass derartige Gaben ein rares Gut bleiben würden, auch wenn ihm der Kundenkontakt immer leicht von der Hand gegangen sei.

Udo Timm
Udo Timm

Auf Menschen zugehen zu können und Probleme nicht im eigenen, sondern im Interesse des Kunden zu lösen, zählt Timm auch rückblickend zu seinen persönlichen Stärken. Diese habe er sehr früh, nämlich schon in seiner Jugend, entwickelt. Schon als Schüler sei er in die Augenoptik hineingewachsen. „Die frühe Einsicht in den Beruf meines Vaters hat mir diese Gabe verliehen“, vermutet er heute. Sein Vater war Augenoptikermeister und kehrte 1947 aus französischer Kriegsgefangenschaft zur Familie nach Hannover zurück. Ein halbes Jahr später schon hatte die Familie den augenoptischen Betrieb zunächst in der eigenen Wohnung wieder aufgebaut. Die Einschränkungen, die sie anfangs dadurch im privaten Leben hinnehmen mussten, so Timm, seien für ihn gleichzeitig auch positiv und damit prägend gewesen. Im Jahr 1950 zog das Augenoptikfachgeschäft dann in nahegelegene eigenständige Räume; etwas später kam ein zweites und kleineres Geschäft in einer Umlandgemeinde hinzu. Im Jahr 1955 eröffneten die Timms ihr Hauptgeschäft in Hannover am Geha-Platz, das Udo Timm in der Nachfolge seines Vaters 1963 übernahm und dort bis Juni 2014 fortführte.

Einrichtung selbst entworfen

Auch heute noch stehe er mit einzelnen Kunden in Kontakt. Und der Ruhestand ermögliche es ihm, sich „mit noch mehr Energie als in den Jahren zuvor meiner Sammlung zu widmen“. Diese hütet er wie seinen Augapfel. Auskunft über die Lage seines „Museums“ und die Anzahl seiner Exponate möchte Timm daher nicht geben. Zutritt erhalten ausschließlich von ihm geladene Gäste. Der DOZ wurde diese Ehre zuteil. Timms Sammlung erstreckt sich über drei Etagen: Keller, Parterre und erster Stock. Dort dreht sich alles um die Brille. Der Brillenliebhaber hat auf etlichen Quadratmetern Fassungen unterschiedlicher Epochen und Herkunft, Mikroskope – darunter auch Flohmikroskope, Korrespondenzen zum Thema Brille, Bücher, Ersatzteile, Etuis, Operngläser, Zeichnungen, Stiche, Skulpturen, Uhren, ophthalmologische Geräte, Motiv-Kacheln, Briefmarken, Fächer und Gehstöcke mit Optiken, Münzen, Schmuckstücke sowie Barometer zusammengetragen.

Die Aufteilung und die Innenausstattung seiner Ausstellungsräume kreierte Timm weitestgehend selbst. Bereits gegen Ende der 1980er Jahre hatte sich der Vollblutoptiker Gedanken über die Gestaltung der Räume gemacht und eigene Zeichnungen angefertigt. 1989 war es dann soweit: Der Umbau konnte beginnen und wurde ungefähr ein Jahr später fertig. Seine ersten Gäste empfing der Sammler Anfang der 1990er Jahre: die Mitglieder des „Ophthalmic Antiques International Collectors Clubs“. Um großzügigeren Raum für die Präsentation seiner „Schätze“ zu schaffen, ließ Timm ein paar nichttragende Wände entfernen. Fenster wiederum wurden verkleinert, Durchgänge im Haus zugemauert. Nachdem der Grundriss neu gesetzt war, engagierte er einen Betrieb aus dem Raum Celle. Der Geselle des Betriebs, damals Jahrgangsbester, erhielt den Auftrag, unterschiedliche Vitrinen, Rollkästen, Schränke und Regale zu fertigen – allesamt aus massivem Mahagoni. Die Exponate in den Vitrinen liegen auf hellem sandfarbenem Velours und sind durch eine Glasplatte abgedeckt; andere liegen in weißen ehemaligen Brillen- Präsentationskästen. Den ebenmäßig braun-rot-gemaserten Fußboden hat Timm aus indischem Naturstein fertigen und im Erdgeschoss der Räumlichkeiten neu legen lassen. „An der hervorragenden handwerklichen Leistung der Menschen, die an dem Umbau beteiligt waren, erfreue ich mich bis heute jedes Mal“, sagt Timm stolz.

Konkurrenz eine Nasenlänge voraus

Wenn es etwas Neues auf dem Markt für Brillensammler gibt, erfährt er es in der Regel als einer der ersten: „In den vergangenen 20 Jahren und vor allem, seitdem meine Sammlung in dieser Form existiert, bin ich oft darauf aufmerksam gemacht worden, dass jemand etwas besitzt und nicht weiß, was er damit machen soll.“ Was die Bücher anbetrifft, kämen die Antiquariate oft auf ihn zu, bevor ein Sammlerstück in den Katalog aufgenommen wird. „So bin ich zum Beispiel an ein Originalbuch des Mathematikers und Optikers Johannes Kepler von 1505 gekommen.“ Der Naturwissenschaftler hatte als Erster über die richtige Bildentstehung des Auges berichtet. So konnte Timm im Laufe der Jahre auch einige bemerkenswerte historische Sammlungen erwerben, darunter die des Fassungsherstellers Fritz Faber. Danach gefragt, wie es bei dieser Fülle an Exponaten mit seiner Sammlung weitergehen soll, bekräftigt Timm: „Im Prinzip nicht anders, als sie sich jetzt darstellt.“ Derzeit sei nach Sammlermeinung „nichts Interessantes mehr im Markt“. Zudem könne er an diesem Ort räumlich nicht weiter expandieren. „Ich muss Luft haben zwischen den Exponaten. Erst dann fängt so ein Stück an zu wirken.“ Daran habe er bisher festgehalten – die Resonanz seiner Gäste habe ihn darin bestätigt – und er wolle dies auch in Zukunft so handhaben. Zu entdecken gibt es in seiner Sammlung bereits jetzt schon Viel und Unterschiedliches:

Auch wenn Experte Timm seine Sammlung nicht weiter ausbauen möchte, so schreitet doch die Zeit fort. Vielleicht finden wir, sofern wir erneut eingeladen werden, bei  unserem nächsten Besuch auch Fassungen der Jahrtausendwende unter seinen „Juwelen“. Denn diese Bezeichnung haben die Schätze im Privatmuseum von Udo Timm allemal verdient.