Zeiss: das andere Extrem

DOZ-Chefredakteur Ingo Rütten und Matthias Wehrle, Marketing DACH bei Zeiss
DOZ-Chefredakteur Ingo Rütten (l.) sprach mit Matthias Wehrle, Marketing DACH bei Zeiss, über die zukünftigen Pläne der Brillensparte des Traditionsunternehmen.
© Zeiss

Zeiss hat als Traditionsunternehmen viele Geschichten zu erzählen. Das gilt auch für die Augenoptiksparte, auch wenn Zeiss Vision Care das eine oder andere Mal Anleihen aus dem kompletten Konzern benötigt. Etliche Verbraucher bringen Zeiss eher mit hochwertiger Linsenoptik bei Kameras in Verbindung, zumal sie ohnehin wenig daran interessiert sind, welches Brillenglas sie vor den Augen tragen. Letzteres zu ändern, versuchen viele Brillenglashersteller, Zeiss setzt dabei zunehmend auf frischen Wind aus anderen Branchen. Nach Christoph Hinnenberg, der im November 2016 die „Institution“ Anton Kuhn als Vertriebs- und Marketingleiter Zeiss Vision Care ablöste, hatte auch Matthias Wehrle als neuer Leiter Marketing DACH bislang keine Berührungspunkte mit der Augenoptik oder mit Brillengläsern.

Seit dem 1. Februar ist Wehrle am Zug, seitdem hat Maik Hartung, der bisheriger Leiter DACH Marketing, die Funktion des Head of Business Development übernommen. Er unterstützt fortan vor allem die Zeiss Vision Center in Deutschland, Öster­reich und in der Schweiz. Nachfolger Wehrle freut sich zu Beginn seiner Tätigkeit über das gute Image seines neuen Arbeitgebers: „Zeiss ist eine sehr starke Marke mit hoher Markenbekanntheit. Davon wollen wir stärker profitieren und es schaffen, dass wir für Verbraucher der Experte für gutes Sehen sind. Wir liefern ja nicht nur qualitativ hochwertige Brillengläser, sondern bieten daneben eine Vielzahl verschiedener Tools und Services“, sagt der 51-Jährige.

Hinnenberg und Wehrle kennen ihr Geschäft aus anderen Branchen. Hinnenberg, Mitglied der Geschäftsführung, ist studierter Biologe und blickt auf eine erfolgreiche Laufbahn in der Pharma-Industrie zurück. Von 2008 an verantwortete er bei GlaxoSmithKline den nationalen Vertrieb und den Außendienst. 2013 wurde ihm auch die Verantwortung für das Kundenmarketing übertragen, ein Jahr später, nach der Fusion von Glaxo­SmithKline mit Novartis, wagte der damals 49-Jährige den Sprung in eine andere Branche. Wehrle kommt über leitende Vertriebs- und Marketingfunktionen für Fashion-Marken wie Hugo Boss oder René Lezard und für die Küchenindustrie zu Zeiss Vision Care. Nach 15 Jahren in der Modebranche wechselte er zu Poggenpohl, zuletzt war er über sechs Jahre lang Direktor Group Marketing bei der Alno AG.

Christoph Hinnenberg
Auch wenn Christoph Hinnenberg als Mitglied der
Geschäftsführung bei Zeiss Vision Care nicht auf die
Preisgestaltung der Augenoptiker einwirken kann und
möchte, so hat er doch eine klare Meinung:
„Streichpreise haben für mich in der Vermarktung
von Markenprodukten nichts zu suchen.“

Nun verfolgen beide einen 360-Grad-Ansatz in der Kommunikation und Werbung für Zeiss-­Brillengläser und den Service drumherum, der letztlich nicht nur für die Augenoptiker interessant sein sollte. Warum Zeiss mit dem stationären Augenoptiker eine Einheit in der hochwertigen Versorgung des Verbrauchers bilden könnte und welche Geschichten der Hersteller über sämtliche zur Verfügung stehenden Kanäle erzählen möchte, wollte DOZ-Verlagsleiter und Chefredakteur Ingo Rütten von Hinnenberg und Wehrle wissen. Die gerade startende Kampagne zum UV-Schutz bot dabei eine prima Gelegenheit, auch noch einmal die Philosophie der Aalener zu hinterfragen und die beiden Verantwortlichen etwas besser kennen zu lernen.

DOZ: Herr Wehrle, Sie waren in der Modebranche und haben Marketing für Küchenhersteller gemacht. Warum sind Sie der richtige Mann als Leiter Marketing DACH bei Zeiss Vision Care Deutschland und warum ist die Augenoptik interessant für Sie?

Matthias Wehrle: Nach 15 Jahren in der schnelllebigen Modebranche und knapp zehn in der Küchenindustrie habe ich eine neue Herausforderung gesucht. Das Brillenglas ist solch eine Herausforderung. Unterschiede zwischen Gläsern sind auf den ersten Blick unsichtbar, für den Verbraucher schwer erfassbar – aber wir werden versuchen, das Glas zu emotionalisieren und das Unsichtbare sichtbar und erlebbar zu machen. Meine bisherige Erfahrung in diversen Funktionen kann ich hierbei sicher gut einbringen. Zudem ist die Gesamtausrichtung bei Zeiss interessant für mich.

Erfahrung ist die eine Sache, welche Charaktereigenschaften zeichnen Sie für diesen Job aus?

Wehrle: Im Marketing ist es immer relevant, dass du ein Gespür für eine Marke hast. Du musst eine Marke führen können. Das hat mit Empathie und mit Emotionalität zu tun. Es reicht nicht aus, sich mit einer Marke zu identifizieren, du musst auch in der Lage sein, diese Identifikation zu transportieren. Es braucht Neugier, Flexibilität und Kontinuität und schließlich auch Konsequenz beim Thema Markenführung.

Ist die Neugier in diesen Wochen, knapp vier Monate nachdem Sie die Arbeit begonnen haben, Ihr wichtigster Charakterzug?

Wehrle: Wenn man neu in ein Team und eine Branche kommt, ist es wichtig, zunächst einmal „zuzuhören“, um den Status Quo zu erfassen. Das ist wichtig, um dann die richtigen Entscheidungen zu treffen. Denn vieles wurde in der Vergangenheit schon gut gemacht. Und ich kann bereits meine Erfahrung einbringen, auch wenn ich die Branche erst richtig kennenlernen muss.

Herr Hinnenberg, Sie sind Ihrem neuen Mitarbeiter um etwa eineinhalb Jahre voraus – welche Tipps hat Herr Wehrle von Ihnen bereits bekommen?

Christoph Hinnenberg: Neben dem Zuhören hilft es, mit den Menschen zu sprechen, von ihnen zu lernen. Ich lerne auch heute noch jeden Tag dazu, aber das macht auch großen Spaß. Als zunächst Branchenfremder darf man kein Besserwisser sein. Es sollte aber auch erwähnt werden, dass Zeiss von den neuen Ideen der neuen Leute profitiert.

Wie?

Hinnenberg: Wenn jemand von außen mit einem frischen Blick kommt, macht das natürlich den Reiz für Zeiss aus – vorausgesetzt der oder die Neue verfügt über die nötige Erfahrung im Marketing und im Vertrieb. Nur jemand Neues kann fragen: Habt ihr das immer schon so gemacht, müssen wir das so machen oder können wir darüber sprechen? Das ist etwas, das ich auch heute noch monatlich mit meinem Chef Sven Hermann mache.

Wie und warum sind Sie bei Zeiss gelandet?

Hinnenberg: Ich bin Molekularbiologe und war zwanzig Jahre in der Pharmaindustrie tätig. Angefangen habe ich im Außendienst, später war ich dann in verantwortlichen Positionen im Marketing und Vertrieb. 2014 fusionierten Novartis und GlaxoSmithKline, und damit mein ehemaliger und mein damals aktueller Arbeitgeber. Wie das so ist, waren fortan alle Positionen doppelt besetzt. Zudem sollte ich von Hamburg mit meiner Frau und meinen vier Kindern nach München ziehen. Also habe ich etwas riskiert und mit 49 Jahren Branche und Firma gewechselt.

Und sind von Hamburg nicht nach München, sondern nach Aalen umgezogen. Ist das tatsächlich ein Pluspunkt?

Hinnenberg: Hamburg ist sicher eine schöne, wenn nicht die schönste Stadt Deutschlands. Im Moment pendle ich noch, da meine Tochter in der elften Klasse ist und die Schulsysteme in Deutschland leider sehr unterschiedlich sind. Im Juli ziehen wir dann nach Süddeutschland, wo wir in der Vergangenheit schon gelebt haben. Abgesehen davon: Mit 49 Jahren die Firma, die Branche und die Position zu wechseln, ist eine Herausforderung, das muss man auch mit sich persönlich erst mal ausmachen. Ganz ehrlich, ich bereue es jeden Tag, das nicht schon früher gemacht zu haben, nicht wegen des Alters, sondern wegen der Herausforderung und der Möglichkeiten.

Matthias Wehrle
Matthias Wehrle im Gespräch mit DOZ-Chefredakteur Ingo Rütten.

Warum, was ist das Besondere an Ihrem Job oder an der Branche?

Hinnenberg: Häufig spielt das zu verkaufende Produkt eine untergeordnete Rolle. Das Marketing sorgt dafür, dass man es verkaufen kann. Bei uns ist es oft umgekehrt. Hier arbeiten so viele Naturwissenschaftler, wie auch ich, die so begeistert sind von ihrem Produkt, dass sie oft glauben, unsere tollen Produkte würden sich quasi von selbst verkaufen. Hier schließt sich auch der Kreis, warum Zeiss sich extern umgesehen und uns beide engagiert hat: Wir müssen die Produkte „Zeiss like“ kommunizieren. Wir müssen in den Markt transportieren, warum es nicht das Zeiss Autofahrerglas, sondern Zeiss DriveSafe ist. Autofahrergläser gibt es mittlerweile viele, schauen Sie generell mal in den Markt, wie schnell Ideen von Zeiss kopiert werden! Zeiss DriveSafe ist aber einmalig – und wir müssen den Leuten draußen erzählen, warum es einen Mehrwert hat gegenüber einem Glas, das mit einem Blaufilter versehen in das Portfolio eines anderen Herstellers nachgeschossen wird.

Welchen Leuten möchten Sie das erzählen, den Augenoptikern oder deren Kunden?

Hinnenberg: Wir möchten das Markenvertrauen des Endverbrauchers, aber ganz wichtig auch das des Augenoptikers erfüllen. Wir wollen und müssen dem Augen­optiker näherbringen, was Zeiss ausmacht. Ihn müssen wir überzeugen, dass Zeiss der richtige Partner ist, der alles bietet; auch einen Service für die Shop-Ausstattung. Trotzdem haben wir aber auch dem Endverbraucher Geschichten zu erzählen. Zeiss hat Werte und Mehrwert geschaffen, das möchten wir auch kommunizieren.

Wehrle: Viele Verbraucher wissen nicht, welches Glas sie in ihrer Brille haben. Einige erfahren es erst beim Kauf. Aber der Kaufprozess startet viel früher. Wir müssen also das Bewusstsein für die Zeiss-Qualität und für unsere Produkte schaffen – über verschiedene Kanäle. Wir wollen viel früher aufklären und erklären, wie wichtig ein Brillenglas von Zeiss ist. Wir möchten erklären, was die Marke und die Produkte können.

Also wird auch Zeiss mehr Richtung Verbraucher und damit an die Kunden der Augenoptiker kommunizieren. Das macht Sie verdächtig, den Augenoptiker umgehen zu wollen – etwa durch den Onlinehandel.

Hinnenberg: Wir haben schon sehr früh ein Statement dazu abgegeben, daran ändert sich auch zukünftig nichts: Zeiss verkauft Brillengläser nicht direkt an den Endverbraucher. Das ist in unserer Strategie fest verankert. Wir reden immer von der Marktveränderung. Bei den Apotheken gibt es seit rund zehn Jahren Online-Anbieter. Vor einem Jahrzehnt ging man davon aus, dass etwa 40 Prozent Marktanteil für die Online-Apotheken möglich wären. Heute sind es 15 Prozent, und diese Zahl hat sich seit 2012 nicht mehr erhöht. Ja, es gibt einen Onlinemarkt für Brillen, aber realistisch wird der Marktanteil irgendwann vielleicht zwischen 10 und 20 Prozent liegen. Das sollte den traditionellen Optiker nicht groß verunsichern. Viel wichtiger ist es, dass er nicht beliebig ist und es jedem recht machen möchte. Zu viele Augenoptiker kopieren nur Konzepte anderer.

Kann ein Unternehmen wie Zeiss daran etwas ändern?

Hinnenberg: Ich möchte meinen Außendienst anleiten, mit dem Augenoptiker eine Analyse durchzuführen, wofür er steht und wo er hin will. Am Ende dieser Analyse sehen wir, wie Zeiss ihm auf seinem Weg helfen kann. Es gibt viele Augenoptiker, die tolle Konzepte haben und Zeiss-Produkte ganz nach vorne stellen. Andere bilden für sich eine eigene Marke und halten Zeiss mehr im Hintergrund. Beides funktioniert. Wichtig ist, wie ein Augenoptiker die Marke Zeiss nutzen kann, um Mehrwerte zu schaffen – dazu muss er kein Zeiss Vision Center sein, wo ausschließlich Zeiss-Brillengläser verkauft werden. An dieser Stelle sei betont, dass diese Läden zu null Prozent zu Zeiss gehören. Sie sind einzig in der Hand des jeweiligen Inhabers.

Warum ist Ihnen dann trotzdem die Intensivierung der Kommunikation zum Verbraucher so wichtig?

Wehrle: In der Markenkommunikation geht es immer um den 360-Grad-Ansatz, da kann man den Verbraucher nicht aussparen. Er trifft am Ende die Entscheidung für das Brillenglas. Beim Kauf einer Küche brauche ich die Beratung des Küchenplaners, aber ich informiere mich vorher doch trotzdem schon einmal. Der Point of Sale ist nur ein Weg, um auf eine Marke aufmerksam zu werden. Sicher ist das Beratungsgespräch aber einer der wichtigsten Bausteine innerhalb des gesamten Prozesses.

Hinnenberg: Wir versuchen, die Verknüpfung Zeiss und Brillenglas bewusster zu machen. Fragen Sie mal auf der Straße nach Zeiss. Sie werden vermutlich eher etwas zu Mikroskopen und Foto-Objektiven hören. Gerade der traditionelle Augen­optiker braucht Frequenz in seinem Geschäft. Wenn wir es schaffen, unseren Kunden mehr Frequenz zu generieren, dann verkaufen sie mehr Brillen. Eine Marke hat einen Wert und ein Markenversprechen. Das, was wir versprechen, halten wir auch. Beim Markenwert müssen wir aufpassen: Wir wollen über die Innovationen kommunizieren, nicht über den Preis.

So wie Sie derzeit für Ihre neuen Brillengläser mit dem Aufhänger UV-Schutz werben?

Hinnenberg: Richtig. Das Thema Augengesundheit ist ein gutes Beispiel, mit dem man Interesse beim Verbraucher wecken kann. Wir haben das mit unseren Digitalgläsern und mit Zeiss DriveSafe schon begonnen. Diese Geschichte führen wir jetzt zum UV-Schutz fort. Das ist der von uns beschriebene Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen, das ist Aufklärung.

Matthias Wehrle Christoph Hinnenberg
„Ich lerne auch heute noch jeden Tag dazu, aber das macht auch
großen Spaß“, sagt Christoph Hinnenberg (re.). Der Vertriebs-
und Marketingleiter von Zeiss Vision Care war wie der neue
Marketingleiter DACH, Matthias Wehrle, lange in einer anderen
Branche erfolgreich.

Wie funktioniert das in der Praxis?

Hinnenberg: Wir beginnen ab Mitte Juni eine Print- und Onlinekampagne, zudem gibt es eine Roadshow und POS- und Event­Pakete für Augenoptiker. Unter dem Slogan „Schützt Ihre Brille vor UV? Jetzt testen!“ verfolgen wir den 360-Grad-Ansatz. Im Basis-Marketingpaket für unsere Kunden gibt es unter anderem einen UV-Tester kostenlos dazu. Alles, was Zeiss an die Verbraucher kommuniziert, findet sich beim Augenoptiker wieder. Er bekommt von uns die Werkzeuge zur Kundenansprache. Die Botschaft ist klar; auch wenn für Augenoptiker der UV-Schutz kein allzu neuer Gedanke ist. Aber der Verbraucher beschäftigt sich jetzt gerade damit und unsere Augenoptiker sagen ihm, mit Zeiss-Kunststoffgläsern brauchst du dir in Sachen UV-Strahlung keine Gedanken mehr zu machen, was die Augen angeht. Das ist ein transportierbarer Mehrwert für den Zeiss-Optiker in Richtung seines Kunden.

Wehrle: Wir gehen ja nicht in Konkurrenz zur Kommunikation des Optikers. Vielmehr sorgen wir für das Grundrauschen, das letztlich nur unterstützt, damit die Frequenz beim Augenoptiker erhöht wird. Es ist unsere Aufgabe und Pflicht, die Markenbekanntheit zu erhöhen und zu erhalten und die Marke positiv aufzuladen. Die aktuelle Kampagne ist auf den UV-Test ausgerichtet, darauf basieren auch die nachgelagerten Promotionen wie unter anderem die Roadshow durch Deutschland. Unser Außendienst war im April und Mai bereits mit dem Thema bei unseren Bestandskunden, die natürlich im Fokus unserer Aktivität stehen.

Sie sprechen von der Erhöhung der Frequenz, die Zahl der Brillenträger ist aber seit zig Jahren nahezu konstant.

Hinnenberg: Richtig, die Frage ist berechtigt, ob der Markt für Brillengläser noch ausgeweitet werden kann. Die geburtenstarken Jahrgänge sind schon durch, die tragen schon Brille. Im Prinzip nehmen die Brillenträger in Zukunft also ab. Wenn wir sagen, wir wollen mehr Brillen verkaufen, dann geht das nur über ein Konzept: Autofahrerbrille, Arbeitsplatzbrille, Sportbrille und so weiter.

Die entscheidende Frage ist: Was braucht der Endverbraucher wirklich? Wir möchten dem Augenoptiker helfen, aber mit sinnvollen Produkten. Das ist die Stärke von Zeiss. Dabei werden wir ganz sicher einen Weg nicht gehen – den der zweiten Brille, die es umsonst gibt.

Welche technischen Neuheiten können wir aus dem Hause Zeiss demnächst erwarten?

Hinnenberg: Startbereit ist Zeiss Visufit 1000 mit neun Kameras, da geht es im Juli mit den Auslieferungen an die Vorbesteller los. Bis Ende des Jahres sind wir dann voll in der Produktion. Visufit ist technologisch eher eine Plattform und nicht nur ein Zentriergerät. Im Moment geht es allerdings eher noch als Zentriergerät raus. Wir entwickeln die Software aber kontinuierlich weiter und damit auch die Möglichkeiten. Das Gerät wird ein Tausendsassa.

Sie sagen, Sie möchten nicht über den Preis kommunizieren. Ist es dennoch hin und wieder sinnvoll, Zeiss-Produkte über den Preis zu bewerben?

Hinnenberg. Ich glaube, Sie kommen in Deutschland einfach nicht drumherum. Ob es sinnvoll ist, Streichpreise bei einer Marke zu machen, stelle ich in Abrede. Aber auch das wird sich in Deutschland nicht vermeiden lassen, weil der Kunde in Deutschland sehr stark auf den Preis eines Produkts fokussiert ist. Die Services blendet er aus. Darunter leidet in erster Linie der traditionelle Augenoptiker. Denn er bietet Service, der sich im Brillenpreis wiederfindet. Wenn der Kunde aber nur den Preis vergleicht, empfindet er das als hochpreisig, und es wirkt nach Abzocke, wenn er anderswo statt 600 Euro nur 299 zahlt. Hier muss der Augenoptiker in der Kommunikation besser werden. Auch hier versuchen wir, ihn mit unseren Konzepten zu unterstützen. Manche machen eine Refraktion in drei Minuten – aber gerade an der Seh-Analyse sollte der Augenoptiker nicht sparen …

Nehmen Sie mit Ihren Konzepten Einfluss auf die Preisstrategie des Augenoptikers?

Hinnenberg: Nein, eine Einflussname auf den Preis wird es von Zeiss nicht geben. Aber ich freue mich nicht darüber, wenn der Name Zeiss bei Streichpreisen steht! Darüber möchten wir auch kein Volumen erzeugen, denn das ist ein Volumen, das keinen Ertrag bringt. Dadurch wird nur die Preisspirale nach unten gedreht. Und irgendwann geht es nicht mehr billiger.

Weil Sie die 299 Euro ansprechen: Es gibt einige stationäre Kollegen, die sich – sagen wir  mindestens – wundern über die Internetseite meinebrille.de, die Zeiss-Gleitsichtgläser im Paar für 299 anbietet.

Hinnenberg: Es gibt gewisse Zeiss-Gläser, die dort preisaktiv vermarktet werden. Wir haben keine Verknüpfung mit diesem Portal. Es gehört der meineLinse GmbH und unterstützt die Opticland-Gruppe. Sie haben entschieden, dass sie dieses Angebot mit Zeiss-Gläsern machen und bewerben das plakativ, so dass es beinahe den Eindruck macht, es sei von Zeiss gebrandet. Aber das war zu einhundert Prozent die Entscheidung der Opticland-Gruppe. Wir haben nur darauf geachtet, dass die Markendarstellung entsprechend ist. Auf alles andere können und dürfen wir keinen Einfluss nehmen.

Und gefällt Ihnen das dort beworbene Angebot?

Hinnenberg: Nein, Streichpreise haben für mich in der Vermarktung von Markenprodukten nichts zu suchen.

Herr Wehrle, sollte es mit den neuen Marketingmaßnahmen nicht vielleicht doch auch neue Vertriebswege geben? Irgendwann?

Wehrle: Nein, daran denken wir nicht. Nach wie vor sind und bleiben unsere Endverbrauchermaßnahmen reine Kommunikationsmaßnahmen.

Wir haben über Aufklärung und Bewusstseinsschaffung gesprochen. Warum aber ist so wichtig, dass der Verbraucher weiß, dass er Zeiss-Gläser in seiner Brille hat? Warum reicht es nicht, dass der Augenoptiker überzeugt ist von Ihren Produkten?

Wehrle: Weil ich den Verbraucher eben erreichen möchte, schon bevor er sich am POS für eine neue Brille interessiert. Das Bewusstsein für eine Marke und ein Produkt – die eben genannte Aufklärung – muss viel früher stattfinden, über alle Kanäle. Der Verbraucher sollte die Marke schon mal gehört haben, und er sollte mit dem Produkt schon etwas anfangen können. Er sollte wissen, dass er es im Fachhandel bekommt. Es geht nicht nur über einen Kanal, es geht immer über die Kommunikation an alle. Beim UV-Schutz zum Beispiel geht es sogar die Nicht-Brillenträger an.

Unser Produkt ist ja nicht sichtbar von außen, aber für mich als Träger hat es einen Mehrwert. Einen spürbaren Mehrwert: besser sehen, besser leben, besser aussehen. Das ist ein intrinsischer Wert, auch das versuchen wir aufzuladen. Viele Menschen legen Wert auf Marke und Qualität. Bei der Brille und beim Brillenglas ist da noch Potenzial vorhanden. Wenn ich möglichst früh eine Awareness geschaffen habe, wählt der Verbraucher eher den hochwertigen Service, dann ist der Preis nicht das alleinige Auswahlkriterium und dann ist ein hochwertiger Verkauf für den Augenoptiker einfacher. Viele Verbraucher wissen tatsächlich nicht, welche Brillengläser sie in ihrer Brille tragen. Das möchten wir ändern, mit dem richtigen Storytelling und einer zielgruppengerechten Vermarktung. Das werden die nächsten wichtigen Schritte sein, die Zeiss Vision Care gehen muss.