„Bitte eine neue Flasche Immerdasda!“

Hand hält eine Kontaktlinse
Wer seine Pflegemittel in der Drogerie kauft, greift bald auch für Kontaktlinsen ins SB-­Regal.
© Heike Skamper

Das Geschäft mit Kontaktlinsen – zumindest aber mit Austauschkontaktlinsen – wandert zunehmend ins Internet oder unter anderem auch in die Drogerien. Des­wegen werden auch die Pflegemittel beim Fachmann heutzutage zu häufig hinten­ angestellt. Klar: Wer sich online oder in der Drogerie mit Kontaktlinsen eindeckt, wird sich kaum das Pflegemittel beim Augenoptiker kaufen. Ein weiterer Grund, sich das Pflegemittelgeschäft „nicht antun zu wollen“, ist vermutlich, dass die Zahl der verschiedenen Produkte auf dem Markt recht groß und das Angebot deswegen verhältnismäßig unübersichtlich ist.

Es lohnt sich aber, über Pflegemittel, das diesbezügliche Sortiment und die nötige Kundenberatung in seinem Betrieb nach­ zudenken; zumindest dann, wenn weiterhin Kontaktlinsen angeboten werden (sollen). Es lohnt sich deswegen auch, an dieser Stelle manche Selbstverständlichkeit und einiges Basiswissen hervorzukramen. Denn etliche Kunden kaufen nur in der Drogerie, weil sie kurz vor knapp bemerkt haben, dass die Flasche mit der Flüssigkeit für die Linsen schon fast leer ist. Und nicht, weil sie ganz bewusst den Weg dorthin suchen. Im Drogeriemarkt fällt dann der Blick auf das Regal mit Pflegemitteln – und mit Kontaktlinsen. „Das ist ja eh alles das Gleiche und noch dazu viel billiger als beim Optiker“, denkt sich so mancher Kunde und packt die Flasche mit der Aufschrift „Kombilösung“ in den Einkaufswagen. Von einer Kombilösung hatte der Kontaktlinsenanpasser doch auch gesprochen? Passt also. Wetten, dass dieser Kunde auch später sein Glück mit Linsen aus dem Regal versucht?

Regal mit Kontaktlinsenpflegemittel in einer Drogerie
Zwischen Arnika-Kapseln und Frosch-Reiniger
findet sich im Drogeriemarkt immer noch
ein Plätzchen fürs Kontaktlinsen-Pflegemittel.
© Ute Franz

Das Thema Pflegemittel ist ein weitreichendes Gebiet. Es gibt viele Hersteller für viele Arten von Kontaktlinsen und viele unterschiedliche Kunden. Bei vielen Augenoptikern sieht es hinter dem Kassenbereich ähnlich aus: sehr bunt. Da stehen viele unterschiedliche Pflegemittelflaschen von in etwa so vielen Herstellern und warten darauf, dass der Kunde vor der Kasse sagt: „Ich nehme immer das da.“ Häufig wird dann auch genau diese eine Flasche Pflegemittel verkauft und mit etwas Glück kommt der Kunde in knapp einem Monat wieder, um sich eine neue Flasche Immerdasda zu kaufen. Das funktioniert solange, bis der Kunde nicht mehr aufpasst und nicht mehr weiß, dass sein Pflegemittel zur Neige geht.

Nicht mehr zu vernachlässigender Vertriebskanal

Dem Kunden, der nun in der Drogerie kauft, ist nichts vorzuwerfen, wenn er nicht weiß, warum dieses Pflegemittel für ihn, seine Augen und seine Kontakt­linsen nicht das optimale ist. Und so sind unter anderem die Drogeriemärkte ein längst nicht mehr zu vernachlässigen­ der Vertriebskanal für Kontaktlinsen und besonders für Pflegemittel geworden. 26,9 Prozent des Gesamtumsatzes mit Pflegemitteln in Deutschland wird mitt­lerweile durch Drogeriemärkte generiert (Quelle: ZVA­Branchenbericht 2016 / 17); das ist mehr als der Anteil, der auf den Onlinehandel (17,8 %) entfällt. Immerhin: Die stationären Augenoptiker dürfen sich noch über etwas mehr als die Hälfte dieses Kuchens freuen.

Woher aber kommt dieser Trend zum Kauf im Drogeriemarkt? Dafür gibt es viele Gründe, unter anderem

  • ist  sich  der  Kunde  nicht  bewusst  da­ rüber, dass Pflegemittel nicht gleich Pflegemittel ist
  • bekommt der Kontaktlinsenträger beim Augenoptiker meistens nicht den glei­chen Bedarf an Pflegemittel verkauft wie an Kontaktlinsen. Stichwort: „6er­Box“ und eine Flasche Pflegemittel
  • ist es zugegeben praktisch, beim  nor­malen Einkauf direkt sein Pflegemittel und vielleicht auch noch seine Kontakt­linsen mitzunehmen.

Eine Möglichkeit, diese Abwanderung an­ satzweise zu vermeiden, ist, Kontaktlinsen und Pflegemittel im Abo­-System zu ver­ kaufen. Da erhält der Kunde gleich alles, was er für einen bestimmten Zeitraum braucht; am besten bequem nach Hause geliefert. Und auch in der Beratung – na­türlich – liegt eine Chance. Ein Beispiel: In erster Linie sind es die Inhaltsstoffe und hier vor allem die Konservierungsstoffe und deren Konzentration, die den Unterschied bei verschiedenen Kombilösungen ausmachen. In einigen Pflegemitteln aus dem Drogeriemarkt ist noch Benzalkoniumchlorid (BAC) zu finden. Dieser Konservierer wird in den modernen Pflegemitteln bekannter Hersteller nicht mehr verwendet. BAC kommt aus der Medizin, ist zwar bakterizid und fungizid, lagert sich jedoch ins Linsenmaterial ein, lockert die Zellverbände des Epithels am Auge und zerstört den Lipidfilm. In der Medizin manchmal eine erwünschte Wirkung, fürs Kontaktlinsentragen jedoch kontraproduktiv. Neue, moderne Konservierungsmittel können sich durch ihre großen Moleküle nicht ins Linsenmaterial einlagern. Sie sind erhältlich an der Kasse des stationären Augenoptikers, dessen darüber aufgeklärter Kunde sich zweimal überlegt, ins Selbstbedienungsregal der Drogerie zu greifen.

Pflegemittel ist nicht gleich Pflegemittel

Generell prasseln beim Anpassen von Kontaktlinsen schon viele Informationen auf den Kunden ein, zu guter Letzt auch noch die Hinweise zum Pflegemittel. In vielen Fällen wird kurz und knapp erklärt (zu selten gezeigt), wie der Linsenträger die Lösung verwenden sollte. Natürlich braucht der Kunde keine dezidierte Einführung in die Zusammensetzung der Flüssigkeit für seine Kontaktlinsen. Er sollte jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese Flüssigkeit auf seine Augen und seine Kontaktlinsen abgestimmt ist und wesentlich zum komfortablen Kontaktlinsentragen beiträgt. Pflegemittel ist nicht gleich Pflegemittel! Das für den Anpasser Selbstverständliche ist gerade für den Kunden das Wichtige. Im besten Fall wird der komplette Ablauf der Pflege mit dem Kunden gemeinsam exerziert. Hierbei kann dann beispielsweise auch gezeigt werden, dass die Spitze der Flasche nicht berührt  wer­ den und das Abspülen mit der Kombi­ oder Kochsalzlösung mit einem kräftigen Strahl und nicht einem „Getröpfel“ erfolgen sollte. Wenn der Kunde den ganzen Ablauf seiner Pflege einmal selbst durch­ geführt hat, bleibt er (besser) im Kopf. Am besten erhält der Kunde eine Broschüre dazu und mit der 6er­Box Linsen auch den Halbjahresbedarf an Pflegemittel.

Kommt der Linsenträger dann zur Nachkontrolle, ist es nur logisch, ihn nicht nur nach seinen komfortablen Tragezeiten zu fragen, sondern sich auch den Kontaktlinsenbehälter und die Pflegemittelflasche anzuschauen. Damit der Kunde das alles dabei hat, empfiehlt es sich, bei der Einladung beziehungsweise bei der Terminabsprache  darauf  hinzuweisen. Der Kontaktlinsenanpasser erkennt dann sofort, wie es um die Pflege der Linsen bestellt ist. Sowohl der Behälter und die Flasche, die Art der Aufbewahrung als auch das Handling mit den Kontaktlinsen und Pflegemitteln zeigen, ob und wo Handlungs­ und Aufklärungsbedarf für den Kontaktlinsenanpasser besteht. Im Grunde unterscheiden sich die Wünsche des Anpassers äußerst selten von denen des Kunden: beide möchten, dass die Kontaktlinsen rundum zufriedenstellend getragen werden können. Die Kunden,  bei denen das gelingt, sind treue Kunden.

Begrenzen Sie Ihr Portfolio

Es sind oft tatsächlich die Kleinigkeiten, die auf dem Weg zur erfolgreichen Strategie hilfreich sind. Wie oben erwähnt gibt es viele Produkte zur Pflege von Kontaktlinsen. Aber ist es wirklich sinnvoll und nötig, etliche verschiedene Kombilösungen, fünf unterschiedliche Peroxidsysteme, eine Hand voll zusätzliche Produkte für formstabile Kontaktlinsen und noch einmal dieselbe Anzahl zusätzlicher Flüssigkeiten wie Benetzungstropfen und Kochsalzlösungen anzubieten? Eine zu große Produktauswahl erschwert nicht nur dem Kontaktlinsenanpasser des Betriebs die Beratung, sondern auch dem Kollegen im Verkauf und damit möglicherweise auch dem Kunden die Auswahl.

Begrenzen Sie Ihr Portfolio: Zwei Kombilösungen, ein oder zwei Peroxidsysteme und eine konservierungsmittelfreie Kochsalzlösung als Auswahl reicht in den meisten Fällen. Wer auch formstabile Kontaktlinsen anpasst, wird natürlich et­ was aufstocken müssen. Aber mehr Auswahl sorgt oft nur für weniger Übersicht. Sie arbeiten ja auch nicht mit allen Brillenglaslieferanten zusammen, oder?

Ute Franz / Ingo Rütten